26. Juni – 13. Juli 1976 – USA-Reise zur 200-Jahr-Feier
Das Jahr 1976 stand von Anfang an voll im Zeichen der USA-Reise. Als musikalische Botschafter reisten wir in die Partnerstadt St. Louis, Missouri, zur 200-Jahr-Feier der USA. Die Mitgliederliste umfasste zu dieser Zeit ungefähr 80 Sängerinnen und Sänger, lediglich 65 Leute konnten mitreisen.
Vorbereitung: Im März: Auftritt beim Bundeswehr-Ball in Böblingen, bei dem sich sogar der ranghöchste NATO-General als Dirigent versuchte. Natürlich hatte er uns nicht so gut im Griff wie seine Truppen! Eine Woche später bestritten wir mit dem Linzer Mädchenchor ein gemeinsames Konzert.
Deutsch-Amerikanische Freundschaftswoche: Am 9. Mai begann die Deutsch-Amerikanische Freundschaftswoche mit einem Festakt im Stuttgarter Staatstheater und im Landtag. Wir traten in vom Staatstheater gestellten Kostümen, Uniformen und Perücken aus der Gründungszeit der Vereinigten Staaten auf – ein tolles Erlebnis!
In Kirchheim folgten Konzert und Chorfreizeit zur Vorbereitung. Zu diesem Zeitpunkt trat der damalige erste Vorsitzende Adolf Haiss von seinem Posten zurück, und Walter Burkhard, bisheriger Vize, übernahm das Amt. Einen warmen Geldregen bescherte uns Ende Mai eine Aktion am Bärenschlößle, bei der wir würstlesbratend und bierzapfend auftraten.
Die große Reise: Am 26. Juni war es endlich soweit – der JUCO flog für 17 Tage nach St. Louis. Bei den Gastfamilien erhielten wir die Gelegenheit, den american way of life kennenzulernen. Eine echte Konzertreise: In 17 Tagen hatten wir 21 Auftritte und nur wenige ganz freie Tage. Trotzdem blieb Zeit für Besichtigungen und tolle Ausflüge.
4. Juli: Ganz Amerika war ein einziges Fest und wir feierten kräftig mit! Für viele Chorsänger stellte diese Reise den Höhepunkt ihrer aktiven Zeit im Chor dar – nicht zuletzt deshalb, weil Amerikareisen damals noch nicht so selbstverständlich waren wie heutzutage. Auch der Chor insgesamt zehrte lange Zeit von den Eindrücken dieser Reise.
(Andi Bähr)

1975 Grußwort von Oberbürgermeister a.D. Manfred Rommel
„Dem Jungen Chor danke ich und wünsche ihm alles Gute, vor allem andauernde Jugend. Ich war im Jahre 1975, als der Chor bei meinem Amtsantritt als Oberbürgermeister gesungen hat, auch noch jünger und gerade noch geeignet, um jung genannt zu werden, jedenfalls von älteren Menschen.

Aber einem Jungen Chor ist die dauernde Aufrechterhaltung der Jugend möglich, wenn er immer wieder neue Sänger und Sängerinnen bekommt und wenn die alten ihm verbunden bleiben. Es geschieht im Zeitalter des sogenannten Individualismus selten, dass ein freies Zusammenwirken vieler Menschen ein so harmonisches und schönes Ergebnis hat, wie dies in einem Chor der Fall ist.
Das gelingt nicht ohne Können und Fleiß. Es gelingt auch nur, wenn jeder seinen Beitrag als Teil des Ganzen auffasst, und zwar ohne als Persönlichkeit im Kollektiv zu verschwinden. Ich habe immer Chöre und Orchester bewundert wegen des Zusammenklangs, der auch in der Musik die These bestätigt: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile.
Besonders hat mich gefreut, dass der Chor Jahr für Jahr unseren früheren jüdischen Mitbürgern die gute Erinnerung an das schwäbische Liedgut vermittelt. Diese tilgt die bösen Erinnerungen an das Dritte Reich nicht aus, aber sie tröstet doch ein bisschen.“

1974 Göppingen – Ein Schlüsselerlebnis
Ein unvergesslicher Auftritt in Göppingen wurde zum Schlüsselerlebnis. Die Mädchen hatten neue Röcke bekommen – lang, blau mit weiß-gelben Margeriten und unten eine Bordüre. Dazu trugen wir weiße Blusen. Als Auftritt war eine kleine Show mit Bewegung geplant.
Helga sang „Amazing Grace“ – und das war DER Erfolg. Die Halle tobte und schrie Zugabe! Nach dem Konzert fiel uns der Bürgermeister von Göppingen hinter der Bühne buchstäblich um den Hals. Es war eine tolle Stimmung.
Als es wieder Richtung Stuttgart ging, tanzten wir barfuß im strömenden Regen um den Bus – und dies in langen Röcken! Eine tolle Erinnerung!
(Fossi Regina Weißkopf, geb. Berkenheger)

April 1973 – Besuch des Chorus Canores aus Schweden
Das Jahr begann für Andreas Bähr als jüngstes männliches Chormitglied. Der erste Auftritt war ein offenes Volksliedersingen mit Frühlingsliedern im Gustav-Siegle-Haus. Im April besuchte uns für eine Woche der Chorus Canores aus Landskrona/Schweden, bei dem der Juco ein Jahr zuvor zu Gast gewesen war. Wir verbrachten nette Tage und Abende mit den jungen Schwedinnen und Schweden und führten ein gemeinsames Konzert auf.
(Andreas Bähr)
17.-24. Juli 1973 – Konzertreise nach Liverpool und St. Helens
Mitte Juli: Chorfreizeit in der Jugendherberge Kirchheim zur Vorbereitung. Am 17. Juli stiegen wir in den Bus für eine Woche. Nachts und bei heftigem Seegang überquerten wir den Ärmelkanal – verbunden mit viel Whisky schlug das einigen Chorsängern kräftig auf den Magen. Am frühen Morgen strahlten die Kreidefelsen von Dover (für einige noch viel zu hell!) in der Sonne.
Nach kurzem Aufenthalt in Canterbury fuhren wir nach London, wo uns leider nur ein halber Tag für Sightseeing blieb. Danach ging es nach Liverpool. Die Unterbringung war entgegen unseren Erwartungen (Massenlager) super – jede/r bewohnte ein Einzelzimmer in einem Studentenwohnheim!
Unsere drei Konzerte im Zelt der Liverpool Show sowie in den Konzertsälen der Universität und des Rathauses wurden musikalisch von einer Solistin, einem Gitarristen und einem Schlagzeuger begleitet. Vor und nach unseren Auftritten nahmen wir an britisch-konservativen Empfängen teil (beim Oberbürgermeister von Liverpool), lernten aber auch die lässige Atmosphäre englischer Pubs und Clubs kennen.
Innovation: Da die meisten Chormitglieder mit der damaligen Chorkleidung unzufrieden waren, traten wir in der zweiten Hälfte der Konzerte in Popkleidung auf (Latzhosen, bunte T-Shirts, Sonnenbrillen…), was den Songs und unserem Stil viel eher entsprach.
(Andreas Bähr)

Weihnachtszeit 1973 – Volles Programm
Während der letzten beiden Augustwochen: Freizeit in Toblach/Südtirol.
In der Weihnachtszeit waren wir stark gefordert:
- 1./2. Dezember: Chorfreizeit in Kirchheim
- 5. Dezember: Auftritte in Ludwigsburg Breuningerland
- 7. Dezember: Auftritt Kursaal Bad CannstattDezember:
- 15. Dezember: Offenes Weihnachtsliedersingen, Stuttgart Kleiner Schlossplatz
- 20. Dezember: Singen Weihnachtsmarkt auf der Rathaustreppe
- 21. Dezember: Auftritt bei Weihnachtsfeier Werner & Pfleiderer
Dieses Jahr stellte für mich als Newcomer einen tollen Einstieg sowohl in musikalischer als auch touristischer Hinsicht dar – chorinterne Kontakte konnten bestens geknüpft und gepflegt werden.
(Andreas Bähr)
19.-26. Mai 1972 – Erste große Konzertreise nach Schweden
Ein Vierteljahrhundert später: Alle standen gespannt und erwartungsvoll abends am Stuttgarter Karlsplatz. Die erste große Konzertreise! Jeder vorbeifahrende Bus wurde freudig erregt mit „Des isch er!“ versehen. Jeder kruschtelte noch aufgeregt nach dem Zettel mit Verhaltensmaßregeln, Programmablauf, Checkliste – und dann war es soweit!
Rundbrief vom 6. Mai – Ausrüstung: „Jeder Reiseteilnehmer hat mitzubringen: 1 Essbesteck, 1 Leintuch und 1 kleiner Kissenbezug (gereinigte und desinfizierte Decken sind vorhanden). Die Männer müssen aber alle je 1 Luftmatratze mitbringen, damit die vorhandenen Betten unseren Damen zur Verfügung stehen können.“
Landskrona: Wir folgten einer Einladung des schwedischen Chores Chorus Canores nach Landskrona, wo wir in einem typisch schwedischen Feriendorf am Meer untergebracht wurden. Für uns etwas völlig Neues – eigenverantwortlich ein Häuschen bewohnen, einfach super!
Das Programm: Eine Vielzahl von Auftritten in vorwiegend psychiatrischen Kliniken, Mentalkrankenhäusern, wechselte sich mit Aufführungen in Einrichtungen für Körperbehinderte und Altersheimen ab. Diese psychische Belastung wurde durch Ausflüge und Auftritte in Firmen und einer Werft wettgemacht. Unser Mittagessen ersangen wir in den Kantinen der jeweiligen Einrichtungen.
Der blamable Vorfall: Während einer Führung durch das berühmte Tycho-Brahe-Museum erspähten einige besonders Hungrige das für uns in einem Nebenraum angerichtete Kalte Buffet. Wer den Startschuss zur Erstürmung gegeben hatte, ließ sich nicht mehr klären. Als jedoch in einem feierlichen Akt das Buffet eröffnet werden sollte, stand ein betretener Juco neben den kahlgegessenen Tischen und ließ die „Guten Appetit“-Rede über sich ergehen.
Die Konzerte: Beide Chöre bestritten zusammen zwei herausragende Konzerte – eines im Schlosspark und eines in der Sofia Albertina Kirche. Das erste weltliche Konzert war für den Juco fast eine Offenbarung. Wir kamen mit unserem eher klassischen Repertoire sehr gut an und erhielten großen Applaus. Doch der Partnerchor bot bereits so etwas wie eine Show mit Tanz.
Wir fuhren unter tränenreichen Abschiedsworten, vielen unbezahlbaren Eindrücken und neu geschlossenen Freundschaften zurück ins Schwabenländle. Danke an alle, die uns Jugendlichen damals diese Reise ermöglicht haben!
(Dagmar Knopp)

Februar 1971 – Herbert Bähr übernimmt den Chor
Am 11. Februar 1971 übernahm Herbert Bähr den Stuttgarter Jugendchor – eigentlich nur vorübergehend, doch daraus wurden 19 Jahre intensiver Chorarbeit. Mit viel Energie und Elan gelang es ihm immer wieder, den erreichten Standard zu halten, trotz ständiger Fluktuation, die ein Chor eben mit sich bringt.
Repertoire: Mit breit angelegtem Repertoire von Klassik über Volkslieder, ausländische Folklore bis hin zu moderner Popmusik entwickelte der Chor seine eigene Note.
Reisen: Um musikalische Botschaften zur Völkerverständigung weiterzugeben, bereiste der Chor unter anderem Israel, Finnland, USA, England, Australien, Schweden mit Besuchen in den jeweiligen Partnerstädten.
Weitere Aktivitäten: Chorfreizeiten, Stadt- und Staatsempfänge der Landesregierung, Konzerte in Kirchen, Altersheimen und Krankenhäusern.
Höhepunkt: Das Weihnachtskonzert in der Stiftskirche und später in der Johanneskirche wurde mit viel Engagement, Eifer und vor allem Freude geplant und aufgeführt.
1989 übergab Herbert Bähr den Chor an den damaligen Vize-Chorleiter Bernd Noll.
Margaretha Bähr: „Dass auch heute noch die Jugend mit Musik, Reisen und geselligem Beisammensein motiviert werden kann, bestätigt, dass der Junge Chor Stuttgart sein 30-jähriges Bestehen feiern kann und soll! Von Herzen wünsche ich dem Chor mit seinem Chorleiter weiterhin viel Erfolg bei seinen musikalischen und sonstigen Aktivitäten.“
(In Verbundenheit: Margaretha Bär)

1970 – Sprechgesänge und die England-Reise
Die frühen Siebziger – der Stuttgarter Jugendchor unter der gestrengen, selten gerechten Herrschaft von Adolf Haiss, selbst gewählter König des Stuttgarter Jugendchores. Der Monarch führte seine Untertanen nach England.
Die Taktik: Eroberung der Insel.
Die Waffe: Deutsches Liedgut.
Der Dirigent: Ein durchgeistigter Leiter der Stuttgarter Musikschule namens Steiner, musikalisch innovativ, furchtlos dem Patriarchen ins Antlitz blickend. Er mengte rhythmisch anspruchsvolle Sprechgesänge (R.A.S.) unter das konventionelle Chorrepertoire. Die Untertanen fanden Gefallen daran, mit der Zunge zu schnalzen und Reime zu intonieren, die selbst Ernst Jandl beflügelt hätten, ein neues Lautgedicht zu schreiben.
Der Marsch: Die Deutsche Bundesbahn beförderte die singende Armee zur Kanalküste. Die Fahrt auf dem Kanal war stürmisch. Manche meinten, die Seekrankheit mit vollem Magen bekämpfen zu können. Das teuer erstandene Steak mit Mintsouce, damals noch BSE-frei, landete in der Dünung der Nordsee und hat einige Plattfische, Heringe, Dorsche, vielleicht auch den Quoten-Katzenhai gesättigt.
Der Waffengang: In Dover wartete ein konspirativer Bus mit englischem Fahrer, beide bestochen vom schwäbischen Sängerbund. Transport der Germanen zum Schlachtfeld – dem Sängerwettstreit zu Middlesbrough. Ein Kampf britischer Art, auf englischem Rasen, wegen unbeständiger Witterung in einem Zelt abgehalten. Die Truppe aus Stuttgart siegte nicht – die Literatur war von der Festivalleitung vorgegeben und das waren keine R.A.S. Trotz Niederlage: Berührungspunkte mit englischen Menschen. Man kämpfte mit süßer Limonade und sehr weichen Sandwiches.
Das Attentat: In Middlesbrough stand ein roter Doppelstockomnibus bereit, um zu einer Kirche mit Publikum zu fahren. Plötzlich keuchte der Motor des Busses und begann einen Hungerstreik. Adolf Haiss sah seinen Zeitplan durcheinander gebracht, der musische Leiter im Heck begann, ein neues R.A.S. zu komponieren.
Ein Wunder geschieht: Das musikalische Fußvolk positionierte sich am Heck des Busses und unter rhythmischem Einsatz der Hände von Steiner wurde der Bus angeschoben. Der Motor, in Ehrfurcht vor so viel unkonventioneller Energie, beendete seinen Hungerstreik. Das Konzert fand statt! Die sakrale Chorliteratur wurde mit englischem Applaus bedacht. Der Höhepunkt aber – die R.A.S. – wurden mit endlos wollenden Ovationen honoriert.
(Kurt Wagner)
1969 – Adolf Haiss und die Berlin-Reise
1969, die Zeit des kalten Krieges. Berlin, die konspirative Hauptstadt von DDR und BRD, durch eine Mauer geteilt. Im südlichen Teil der BRD gab es eine verschlafene Landeshauptstadt, bewohnt von Menschen, die eine alte Rebsorte vinifizierten, den Begriff Kehrwoche als Aufforderung betrachteten, sich mit Besen und Müllschaufel auf der Straße herumzutreiben, und zudem noch einen Dialekt sprachen, der, legt man Berliner Maßstäbe an, als unverständlich bezeichnet werden kann.
In dieser Stadt gab es Adolf Haiss, Angestellter der Württembergischen Hypothekenbank. Er wurde von seinem Chef dafür abgestellt, sich um die kulturellen Belange der Stadt, insbesondere den Chorgesang, zu kümmern.
Die Idee: Adolf Haiss beschloss als vorsitzendes Mitglied des Stuttgarter Sängergaues, einer neuen Form von Chor bei der Niederkunft als Geburtshelfer zu helfen. Das junge Pflänzchen, entbunden im Herbst 1967, bekam den Namen Stuttgarter Jugendchor und wurde einer musikalisch versierten, männlichen Amme an die Brust gelegt. Späth hieß der Musiker, Lehrkörper an einem Gymnasium in Zuffenhausen, dessen Traum ein 190 Mercedes Diesel mit Heckflossen war.
Das Berlin-Konzert: Nach zwei Jahren verlangte der Lehrkörper eine musikalische Herausforderung. Recherchen der Sekretärin von Adolf Haiss ergaben, dass in West-Berlin ein Chor mit dem Namen „Junger Chor Berlin“ existierte. Ein Karton voll mit T-Shirts und Kugelschreibern verbunden mit dem Wunsch eines gemeinsamen musikalischen Schlagabtausches wurde nach West-Berlin per Luftfracht entsandt. Die Antwort war positiv!
Das Konzert in Berlin fand statt. Der Stuttgarter Jugendchor musste sich mit einem guten zweiten Platz begnügen. Die anschließende Zusammenkunft erwies sich als Wiederholung der sprachlichen Verwirrung von Babylon – der schwäbische Dialekt wollte mit dem Berliner Hochdeutsch absolut nicht harmonieren.
Der Abschied: Chorleiter Späth, der Mercedes Benz fahrende Lehrkörper, nahm nach diesem für ihn enttäuschenden Ereignis seinen Hut und verließ den Stuttgarter Jugendchor. Der Chor überlebte diese Krise und wurde von einem Dirigenten übernommen, der das musikalische Potential zu nutzen wusste.
(Ein damals 19jähriger Teenager)

1968 – Tradition Weihnachtsmarkt beginnt
Schon seit den Anfangsjahren hatte der Stuttgarter Jugendchor Auftritte auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Eine Tradition, die auch 30 Jahre später nicht aus dem Chorleben wegzudenken ist.


November 1967 – Gründung des Stuttgarter Jugendchores
Der Chor wurde am 23. November 1967 gegründet.
Artikel aus der Stuttgarter Zeitung: „Vom Volkslied bis zum Gospelsong – Mit 70 Jung-Stuttgartern wurde der Jugendchor gegründet“
Beatschuppen und Diskotheken sind für die Teens und Twens heute attraktiver als Heimatgesangvereine. Erwachsenenchöre bekommen darum keinen Nachwuchs mehr. Auf die Idee, wie man dieser Misere am besten abhelfen könnte, kam Adolf Haiss, Vorsitzender des Gaus Stuttgart (Wilhelm-Hauff-Gau) im Schwäbischen Sängerbund, vor einem halben Jahr. Mit 5000 Flugblättern, viel Begeisterung und Engagement warb er in Stuttgarts Schulen und Gesangvereinen für seinen neuen Plan: Die Gründung eines modernen Jugendchores, aus dem man dann später einmal Sänger für Erwachsenenchöre nehmen kann.
Die Gründungsversammlung: 70 junge Stuttgarter – 50 Mädchen und 20 Buben zwischen 14 und 18 Jahren – hatten sich im Schubertsaal der Liederhalle eingefunden. Dass es bei diesem Chor nicht um verblichene Burschenherrlichkeit oder Lagerfeuerromantik geht, merkten die 70 gleich am ersten Abend. Der junge aktive Chorleiter Studienrat Späth vom Zuffenhausener Gymnasium übte und sang mit seinen neuen Chormitgliedern, unterstützt von den Schülern des Zuffenhausener Gymnasiums, genauso Béla-Bartók-Lieder, das Spiritual „I got a robe“ wie das bekannte „Arme welsche Teufli“.
Das Konzept: Auch künftig sollten die jungen Sänger das Repertoire nach ihren eigenen Wünschen zusammenstellen. Chorleiter Späth dachte dabei an Blues, Spirituals, an spanische Tanz- wie an russische Wiegenlieder und an das deutsche Fahrtenlied. Jeden Donnerstag von 17:30 bis 19:00 Uhr im Jugendhaus Ost, in der Gerokstraße 7, trafen sie sich zum Üben und Singen. Wenn sie sich als besonders sangesfreudig und begabt erwiesen, wollte er an eine Jugendoper oder ein Musical gehen.
Das Programm: Neben Stimmausbildung und Vom-Blatt-Singen standen auch Tanzpartys, Ausflüge sowie Konzert- und Opernabende auf dem Programm. Wer Lust hatte, konnte sich bis Weihnachten zum Jugendchor melden. Die Mitgliedschaft war beitragsfrei.
Aufruf vom 7. November 1967: „Erste Singprobe im November – Gründung eines Stuttgarter Jugendchores“
Der Gau Stuttgart und sein einfallsreicher Vorstand Adolf Haiss hatten etwas ausgedacht, das sicher das Interesse vieler Jugendlicher finden würde. Ein Stuttgarter Jugendchor von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die an Musik und einer netten Gemeinschaft Gefallen finden können.
Der Stuttgarter Jugendchor wurde Bestandteil des Schwäbischen Sängerbundes, womit die Voraussetzungen für eine Unterstützung des Chores durch Stadt, Land und Bund gegeben waren. Das Repertoire sollten die jugendlichen Sänger weitgehend selbst auswählen und bestimmen. Deutsche Fahrtenlieder, spanische Tanz- und russische Wiegenlieder sowie Spirituals und Blues – alles war erlaubt. Später sollte sogar die Aufführung einer Jugendoper folgen.
Mit Erreichen des 20. Lebensjahres schied der Sänger aus dem Jugendchor aus und konnte nach freier Wahl einem Erwachsenenchor beitreten, von denen es im Gau nicht weniger als 64 mit 3800 Sängern gab.
